Rede des Parlamentarischen Staatssekretärs Rezzo Schlauch
Veranstaltung: Wirtschaftskongress "Future Markets for Renewables" im Rahmen des "Business Forum Renewables" anlässlich der
renewables 2004
"Perspektiven der Energieversorgung und die Rolle der erneuerbaren
Energien" am 2. Juni 2004 in Bonn
Es gilt das gesprochene Wort!
Einleitung
Sehr geehrter Herr Prof. Johansson,meine sehr geehrten Damen und Herren,
diese Konferenz kann sich der rückhaltlosen Unterstützung der
Bevölkerung des Gastgeberlandes Deutschland gewiß sein.
Nach einer neuen Umfrage des Europressedienstes wünschen sich 72 %
der deutschen Bürger eine verstärkte Förderung erneuerbarer
Energien.
Die Menschen sind sich dabei bewusst, dass sie damit zwei Ziele gleichzeitig
verfolgen, den Klimaschutz und die Unabhängigkeit vom Rohstoff Öl.
Von diesen Zielen hat sich auch die deutsche Regierung in ihrer Politik
konsequent leiten lassen.
Dadurch gehört Deutschland mit Dänemark, Spanien und Finnland
zu den Ländern, die von der EU-Energiekommissarin Loyola de Palacio
in der vergangenen Woche für ihren Kurs gelobt wurden.
Wenn die EU ihr Ziel erreichen will, 12% des Energie-Mixes aus Erneuerbaren
zu bestreiten, müssen alle Mitgliedsländer diese Energien stärker
fördern. Die Komissarin hat erfreulicherweise eine verstärkte
Förderung von Off Shore Windkraft und von Biomasse in Europa angekündigt.
Unsere Konferenz wird hoffentlich auch dazu beitragen, dieser Initiative
Rückenwind zu verschaffen und bei den Mitgliedsländern für
die erforderlichen Finanzmittel zu werben.
Denn es geht hier nicht um good-will-Projekte für Öko-Idealisten,
sondern um knallharte Wirtschaftspolitik in mindestens dreierlei Hinsicht:
Erstens geht es um die Vermeidung volkswirtschaftlicher Schäden durch
den Klimawandel weltweit. Die Klimaerwärmung ist bereits Realität
und viele von unseren Gästen aus den Ländern, die Opfer der Naturkatastrophen
der letzten Jahre geworden sind, können ein Lied davon singen.
Auch wir in Deutschland hatten im letzten Jahr eine Flutkatastrophe, deren
Kosten in Deutschland, Tschechien und Österreich auf bis zu 15 Mrd
Euro geschätzt wurden.
Zweitens geht es um Energiesicherheit, die Unabhängigkeit von der Ressource Öl, die sich weiter verknappt und tendenziell weiter im Preis steigen wird.. Gerade die Entwicklungs- und Schwellenländer, deren Energiebedarf sich voraussichtlich in den nächsten Jahren stark erhöhen wird, sollten sich also gut überlegen, auf welche Energieform sie setzen wollen.
Und zum Dritten geht es bei der Förderung alternativer Energien um
Industrie-, Weltmarkt- und Standortpolitik.
Der Wettbewerb um die besten Technologien der sauberen und langfristig billigeren
Energieerzeugung verschafft den Gewinnern immense Potentiale. Bereits jetzt
sind bei uns in Deutschland zum Beispiel über 120.000 Menschen im Sektor
Erneuerbare Energien beschäftigt.
Meine Damen und Herren, Energiepolitik ist Wirtschaftspolitik und das in
noch viel grundsätzlicherem Sinne:
I.
Denn Strom ist der Lebensnerv einer jeden Volkswirtschaft:
Jedes Land kann sich nur in dem Maße entwickeln, wie die Elektrifizierung
voranschreitet.
Und es kann einen einmal erreichten hohen Standard nur erhalten, wenn die
Stromversorgung sicher ist.
Die schweren Stromausfälle in den USA und Italien im letzten Jahr haben
dies allzu deutlich gemacht:
Ohne Strom geht nichts!
Stillstand in Industrie, Dienstleistungsgewerbe und in der gesamten Wirtschaft
- ohne Strom für die Computer sind die hochentwickelten Industrieländer
handlungsunfähig.
Aber vor allem auch die Entwicklungs- Schwellenländer sind bei ihrem
rasanten Wirtschaftswachstum auf Strom angewiesen.
Gute und sichere Stromversorgung ist deshalb für Entwicklungs-, Schwellen-
und Industrieländer gleichermaßen elementar.
II.
Wie also muß die Energieversorgung der Zukunft im Zeitalter vom Klimawandel
und Ressourcenknappheit aussehen?
Gegenwärtig basiert die Stromerzeugung ganz überwiegend auf den
fossilen Brennstoffen Kohle, Öl und Gas.
Weltweit machen fossile Brennstoffe 80 % des Energieverbrauchs aus.
Fossile Energien sind bisher verhältnismäßig preisgünstig,
für die Stromerzeugung gut geeignet und in den meisten Teilen der Welt
noch verfügbar.
Aber wir wissen, dass der weltweite Energieverbrauch in den nächsten
Jahrzehnten gewaltig ansteigen wird.
Insbesondere durch das Aufholen der Entwicklungs- und Schwellenländer
mit entsprechend steigenden Energiebedarf wird sich der Energieverbrauch
bis zum Jahr 2040 etwa verdoppeln!
Aber auch die Industrieländer werden dazu in beachtlichen Umfang beitragen.
In den USA soll der Energieverbrauch schon bis zum Jahr 2020 um 50 % ansteigen.
Für Deutschland erwarten wir für den gleichen Zeitraum allerdings
nur einen stagnierenden Verbrauch.
Gleichzeitig wissen wir, dass die fossilen Brennstoffe endlich sind.
Die Öl- und Gasvorräte zumindest reichen Schätzungen zufolge
nur noch für einige Jahrzehnte - ein relativ kurzer Zeitraum aus energiepolitischer
Sicht.
Und die in Deutschland in gewissen Kreisen immer noch sehr beliebte Kohle
hat einen gravierenden Nachteil: Bei ihrer Verbrennung wird in noch größerem
Maße als bei Öl und Gas Kohlendioxyd emittiert, das als hauptverantwortlich
für den Klimawandel angesehen wird. Ein höchst problematischer
Brennstoff also, auf den wir zur Zeit leider noch angewiesen sind, dessen
Verbrennung aber sehr schnell dramatisch reduziert werden muß.
Und ein weiterer Nachteil der fossilen Brennstoffe kommt hinzu:
Mit zunehmendem weltweiten Energieverbrauch und knapper werdenden Ressourcen
steigt die Importabhängigkeit.
Länder, die über keine eigenen Energiequellen verfügen oder
die - wie es in der Europäischen Union zu beobachten ist - ihre eigenen
Reserven nicht mehr wirtschaftlich abbauen und nutzen können, müssen
ihren Bedarf immer mehr auf dem Weltmarkt decken - mit entsprechenden Risiken
für die eigene Energieversorgungssicherheit.
Diese kurze Situationsanalyse macht eines deutlich:
Es wird sehr schnell schwieriger, auch in den nächsten Jahrzehnten
eine gute und sichere Energie- und Stromversorgung zu gewährleisten.
Und die erhöhten Anforderungen an den Klimaschutz bringen weitere Herausforderungen
mit sich.
III.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir müssen uns diesen Herausforderungen jetzt stellen - weltweit.
Energiepolitik und Klimaschutzpolitik sind langfristig zu denken.
Wir müssen uns heute schon überlegen, wie die Energieversorgung
morgen - d.h. in 30 bis 40 Jahren und darüber hinaus - funktionieren
soll.
Wir müssen dabei gleichzeitig überlegen, wie eine möglichst
klimaverträgliche Lösung aussehen kann.
Und wir müssen jetzt die richtigen Weichenstellungen vornehmen, um
eine verlässliche Grundlage für entsprechende Kraftwerksplanungen
zu schaffen.
Dies ist um so notwendiger, als bereits heute weltweit jedes sechste Kraftwerk
älter als 40 Jahre alt und damit - auch unter Aspekten des Klimaschutzes
- erneuerungsbedürftig ist.
Allein in der EU ist bis 2020 eine Kraftwerksleistung von etwa 200.000 MW
zu ersetzen, 40.000 MW davon in Deutschland.Die Antwort, meine Damen und
Herren, auf die geannten Herausforderungen kann nur lauten:
Die Nutzung und Förderung erneuerbarer Energien.
Erneuerbare Energien sind von der Natur gegeben und damit grundsätzlich
immer vorhanden, sie sind vor Ort vorhanden und damit importunabhängig
und sie sind klimaverträglich.
Sie können zur dezentralen Stromversorgung in entlegenen Gebieten eingesetzt
werden - ein Aspekt, der gerade auch für Entwicklungs- und Schwellenländer
von Gewicht sein kann.
Ein grundsätzlich idealer Energieträger also - bei allen Unterschieden
der verschiedenen Arten von erneuerbaren Energien im Hinblick auf ihre geologischen
und witterungsbedingten Voraussetzungen.
Und in vielen Teilen dieser Erde dürften bessere Bedingungen vorzufinden
sein als in Deutschland, um Strom aus Sonne, Wind oder Wasserkraft zu erzeugen.
Aber wir müssen noch daran arbeiten, dass erneuerbare Energien eine
wesentliche Rolle bei der Energie- und Stromversorgung einnehmen.
In Deutschland haben wir deshalb seit dem Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz
(EEG).
Dieses sichert den Betreibern von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien
die Abnahme ihres Stroms sowie feste Vergütungen für die Einspeisung
ihres Stroms ins öffentliche Netz.
Das EEG hat den Ausbau erneuerbarer Energien insbesondere der Windenergie
- schwunghaft vorangebracht.
Bei der Windenergie haben wir mittlerweile eine installierte Leistung von
über 14.000 Megawatt.
Insgesamt wurden aus erneuerbaren Energien im letzten Jahr rund 30 Terrawattstunden
in das öffentliche Netz eingespeist.
Dadurch haben wir erreicht, dass sich der Anteil erneuerbarer Energien an
der Stromversorgung in Deutschland seit 1997 mit einem Anstieg auf 8 % fast
verdoppeln konnte.
Bis zum Jahr 2020 wollen wir diesen Anteil auf 20 % steigern.
In der Europäischen Union lag der Anteil erneuerbarer Energien an der
Stromversorgung 1997 bei 14 % und soll bis 2010 auf rd. 22 % gesteigert
werden.
Es bedarf aber sowohl in der EU als auch in Deutschland noch einiger Anstrengungen,
um die gesteckten Ziele zu erreichen.
National sind wir gerade dabei, durch die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
die Rahmenbedingungen für die Nutzung der Erneuerbaren weiter zu verbessern
und so zu gestalten, dass sich ihr Einsatz wirtschaftlich darstellen lässt.
Die dazu noch notwendige finanzielle Förderung soll Anreize bieten,
die erneuerbaren Energien weiter auszubauen und ihnen einen festen Platz
in der nationalen Energieversorgung zu sichern.
Aber es ist auch klar, dass die finanzielle Förderung der Regenerativen
kein Dauerzustand werden darf.
Erneuerbare Energien müssen so schnell wie möglich wettbewerbsfähig
werden.
Nur dann können sie eine dauerhafte und nachhaltige Bedeutung in der
Energie- und Stromversorgung erlangen.
Und auch der Export der dazugehörigen Technologien wird nur dann gelingen,
wenn sie wettbewerbsfähig sind.
Die Politik kann dies nicht bewerkstelligen.
Sie hat die Aufgabe, den Weg dorthin durch geeignete Rahmenbedingungen
zu ebnen und zu beschleunigen.
In Deutschland haben wir dies bereits getan.
Auch die anderen Mitgliedstaaten der EU haben Maßnahmen ergriffen, um den Anteil erneuerbarer Energien an der Energie- und Stromversorgung deutlich zu steigern.
International wird dieser Weg - so hoffe ich jedenfalls - mit diesem Kongress
und der nebenan stattfindenden Konferenz bereitet.
Doch wenn die Politik den Weg geebnet hat, dann muss die Wirtschaft diesen
Weg gehen.
Hersteller und Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen sind aufgefordert,
die Technik fortzuentwickeln und immer effizienter zu machen.
Es liegt in ihrem eigenen Interesse, die bisher erprobten und bewährten
Technologien wettbewerbsreif zu machen.
Nur so können auch die Zukunftsmärkte in den Entwicklungs- und
Schwellenländern erschlossen werden.
IV.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Deutsche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren hochwertige Technologien
zur Nutzung regenerativer Energien entwickeln und anwenden können.
Zu nennen sind hier insbesondere die Windkraftanlagen, die bereits seit
Anfang der neunziger Jahre gebaut und bis zur Marktreife entwickelt worden
sind, ebenso wie Solaranlagen.
Nicht zu vergessen die Wasserkraft, die es in Deutschland seit über
einhundert Jahren gibt und die über entsprechend hoch entwickelte Technologien
verfügt.
Aber auch Technologien für die Nutzung von Biomasse und Geothermie
wurden bereits entwickelt und eingesetzt. Die Biomasse hat dabei die kurzfristig
größten Wachstumspotentiale und unser neues Fördergesetz
könnte hier zu einem Durchbruch führen.
Es ist jetzt an der Zeit, die erworbenen Erfahrungen mit diesen hoch entwickelten
Technologien zu nutzen:
Durch die Länder, die erkannt haben, dass erneuerbare Energien eine
ideale Zukunftsenergie darstellen und die sich entschieden haben, diese
zu einem festen Bestandteil ihrer Energiepolitik zu machen.
Durch Länder, die noch keine Erfahrungen auf diesem Gebiet haben und
den Vorteil modernster Technologien nutzen wollen.
Durch die Hersteller in In- und Ausland, die kompetente Lösungen anbieten
können.
Von der globalen Verbreitung und Nutzung dieser Technologien profitieren
aber nicht nur die Nachfrageländer und die Hersteller profitieren
wird vor allem das Klima!
Bislang unzureichend genutztes Potential für die globale Energieversorgung
durch die Nutzung von Wind, Wasser, Sonne, Biomasse, Erdwärme und Meeresströmungen
kann weltweit erschlossen werden.
Um dies voranzubringen, hat der Deutsche Bundestag im Jahr 2002 eine Exportinitiative
Erneuerbare Energien ins Leben gerufen.
Sie soll helfen, den know-how-Transfer und den Technologie-Transfer zu erleichtern
und Kontakte zwischen Interessierten herzustellen.
Deshalb wurden erneuerbare Energien besonders in das Messeprogramm des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Arbeit aufgenommen. Diesen Stand, können Sie
für die Dauer dieses Kongresses auch hier in der Ausstellung besuchen.
Dazu lade ich Sie herzlich ein!
Es werden Kontaktveranstaltungen zwischen deutschen und ausländischen
Unternehmern und Institutionen organisiert, um direkt bestehende Informationsbedürfnisse
zu befriedigen.
Und es werden mit Hilfe der Außenhandelskammern und der deutschen
Energieagentur (DENA) deutsche und ausländische Unternehmen gezielt
zusammengeführt, um vor Ort feststellen zu können, welche konkreten
Vorstellungen und Bedürfnisse der nachfragende ausländische Unternehmer
hat.
Und schließlich haben wir zusammen mit der DENA ein Programm zur Förderung
von Solardächern auf deutschen Einrichtungen im Ausland aufgelegt,
um dort an exponierter Stelle zu demonstrieren, wie man mit Sonnenkollektoren
nicht nur Energie erzeugen, sondern auch Häuser gestalten kann.
Mit der DENA das lassen Sie mich an dieser Stelle sagen - haben
wir einen kompetenten Partner gefunden, der die verschiedenen Einzelaktionen
der Exportinitiative Erneuerbare Energien mit großem Fachwissen
begleitet und umsetzt.
Die DENA hat auch dieses business forum organisiert zusammen mit
der Gesellschaft für technologische Zusammenarbeit (GTZ).
Ich finde, dies ist beiden vorzüglich gelungen.
Dafür möchte ich DENA und GTZ meinen herzlichen Dank ausdrücken!
Die Teilnehmer dieser Konferenz fordere ich nun auf: Nutzen Sie Ihre Chancen!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viele neue Erkenntnisse, fruchtbare
Kontakte und natürlich auch - schöne Tage in Bonn am Rhein!
Vielen Dank!